KUNSTMÄRCHEN
Spiegel des Lebens
Ein Königssohn träumte eines Nachts von einer wunderschönen Prinzessin und als er aus seinem Traum aufwachte bemerkte er, dass sein Herz einen anderen Rhythmus hatte. Es war beschwingt, es klopfte und hüpfte fröhlich und es war ihm, als tanze es in ihm.
Er dachte an die wunderschöne Prinzessin und sogleich wurde sein Herz warm und immer wärmer bis er meinte ein Feuer brenne in ihm.
Der Traum war so wirklich, dass er auf der Stelle beschloss, die Prinzessin aus seinem Traum zu suchen. So zog er fort aus seinem Schloß und ging auf Wanderschaft in der Hoffnung sie zu finden.
Lange Zeit war er unterwegs bis er eines Tages ein altes Weib auf einem Stein sitzend traf.
Sie schaute ihn an, und es erschauerte ihn, das alte Weib hatte die gleichen Augen, in ihnen war die gleiche Tiefe wie in den Augen der Prinzessin von der er träumte. Doch, seine Prinzessin im Traum war jung und schön und diese Frau hier war alt und hässlich, nein das konnte sie nicht sein.
Als er an der Alten vorüber gehen wollte, sprach sie ihn an. „Jüngling schaue in meine Augen, sie sind der Spiegel meiner Seele, schaue in sie und Du wirst die Welt verstehen“. „Wieso soll ich die Welt verstehen wollen Alte“, es kommt eh´ alles wie es kommen muss, sprach der Königssohn. „Du wirst die Menschen verstehen, wenn Du die Welt verstehst und erst dann wirst du die Wahre Liebe finden“. Wieder schaute die Alte dem Königssohn tief in seine Augen, und es schien ihm, als schaute sie ihm in sein Herz. Er wurde unwillig, denn die Hässlichkeit der Alten schreckte ihn ab. „Ich finde die Liebe auch so“, erwiderte er der Alten. „Ich bin ein Königssohn, ich werde eine schöne Prinzessin zur Frau nehmen und sie lieben bis ans Ende meiner Tage“. „Wie willst Du das Schöne lieben, wenn Du das Hässliche nicht lieben kannst, somit kannst Du auch nicht die Welt verstehen“. Wieder schaute sie ihm tief in die Augen, und ihm war als blicke er in einen tiefen Bergsee voller Geheimnisse. Nun wurde der Königssohn neugierig; „Alte, was kannst Du mich lehren“, sprach er. „Ich kann Dich lehren, die Geheimnisse der Welt zu verstehen, Du wirst die Menschen verstehen und sie werden Dich dafür lieben“. Und was muss ich tun, um die Geheimnisse verstehen zu können, sprach der Königssohn.
„Küsse mich sprach die Alte und Du wirst verstehen“. Ich will Dich nicht küssen sprach der Königssohn. „Auch gut, sprach die Alte dann hast Du noch eine lange Wanderschaft vor Dir“. Eines Tages werde ich Dir wieder begegnen und Dir die gleiche Frage stellen und sogleich verschwand sie.
Der Königssohn war einerseits erleichtert, dass die Alte verschwunden war und anderseits bedauerte er es. Er setzte seine Wanderschaft fort auf der Suche nach seiner ersehnten Prinzessin. Er ging durch viele Königreiche und es wurden ihm viele hübsche Prinzessinnen vorgestellt in der Hoffnung, dass er diese heiraten werde, denn er war ein ausnehmend schöner Jüngling und sein Königreich war groß und einflussreich. Bei allen Prinzessinnen denen er in die Augen schaute, sah er zuerst das Strahlen ihrer Augen und war davon berührt, doch nach kurzer Zeit bemerkte er, dass diese nicht die tiefen Geheimnisse bargen die er bei der Prinzessin aus seinem Traume sah. Ein jedes Mal zog er enttäuscht davon. Es vergingen viele Jahre und auch der Jüngling war nicht mehr so jung und er ward älter, doch seine Prinzessin hatte er immer noch nicht gefunden. Langsam begann er zu zweifeln, ob er sich nicht doch getäuscht hätte. Und als er so in Gedanken versunken den Weg entlang ging, sah er wieder die Alte auf einem Stein sitzend auf ihn warten. Es wiederholte sich dasselbe wie beim ersten Mal. Sie bat ihn, sie mit all seiner Liebe zu küssen. Und als er in ihre Augen schaute, sah er einen strahlend blauen Himmel mit einem Regenbogen darin. Aber auch dieses Mal konnte er sich nicht dazu überwinden, trotz Bitten der Alten.
Die Alte verschwand wiederum und er setzte seine Reise fort. Nach langen Jahren, er war inzwischen ein alter Mann geworden und hatte seine Prinzessin immer noch nicht gefunden, begegnete ihm ein drittes Mal die Alte. Er hatte den Eindruck, dass sie noch hässlicher aussah als die beiden anderen Male. Inzwischen hatte der Königssohn so vieles auf seiner Wanderschaft gesehen und erlebt und jetzt erschreckte ihn die Hässlichkeit der Alten auch nicht mehr, vielmehr beeindruckte ihn die innere Schönheit ihrer Augen. Er sah nicht mehr die Hinfälligkeit ihres Körpers sondern nur noch in die Tiefe ihrer Augen und die Geheimnisse in ihnen. Er erblickte einen Sternenhimmel, er spürte die Wärme der Sonne und das Silber des Mondes. Er wurde in seinem Herzen so berührt davon, dass er die Alte küsste. Und als er ihre Lippen zart berührte mit all seiner Liebe, verwandelte sich die Alte in die junge wunderschöne Prinzessin aus seinem Traum und auch er selbst war wieder jung an seinem Körper. Sogleich verstand er die Sprache der Vögel, das Rauschen des Wassers, den Hauch des Windes. Er war überglücklich, nahm seine Prinzessin zur Hand, zog mit ihr in sein Königreich und machte sie zur Königin.
Er regierte weise sein Land, lehrte die Menschen das Leben zu verstehen. Die Menschen in seinem Königreiche waren glücklich und zufrieden und liebten ihren König und ihre Königin. Er selbst lebte mit seiner Königin noch viele viele Jahre in großer Liebe.
by Roswitha Boneberger-Klett
30.01.2012