KUNSTMÄRCHEN

Die Fee die vom Himmel fiel

 

Die wunderschöne Fee Ilium wohnte im Schloß der Goldenen Sonne. Dort war es immer hell und alles war voller Blumen und Wärme. Alle waren sehr freundlich und liebevoll zueinander. Ein jeder achtete auf den anderen. Die Fee war sehr glücklich.

Eines Tages begab sie sich außerhalb des Schlosses auf eine Brücke, obgleich sie wusste, dass sie sich nicht weit vom Schloß entfernen durfte.

Sie schaute über die Brücke hinunter zur Erde; ihr müsst wissen, die Fee war sehr neugierig und wollte immer alles wissen, so lehnte sie sich zu weit vor, weil sie so viel Seltsames erblickte, das sie sich nicht erklären konnte. Und eh sie sich versah, fiel sie in die Tiefe. Sie kam sehr erschrocken unten auf der Erde an.
Ihre Flügel waren beschädigt und sie bemerkte, dass sie mit ihnen nicht mehr fliegen konnte.
Sie verwahrte ihre Flügel fein säuberlich unter ihrem Gewand und machte sich voller Zuversicht auf den Weg.
Die Fee war überzeugt, dass sie einen Weg finden würde um wieder in ihre Heimat auf das Goldene Schloss zu kommen.

Lange Jahre wanderte die kleine Fee Ilium auf der Erde umher. Sie verfügte über wundervolle Kräfte, auch konnte sie zaubern.

Auf der Erde sah sie Schönes, aber sie sah auch viel Seltsames und Trauriges.
Sie bekam beim Anblick des Traurigen großes Heimweh nach ihrem Goldenen  Schloss
Doch sie musste ihren Weg gehen.

Ihr begegneten Menschen die ihre Augen geschlossen hatten die aber fest behaupteten, sie seien sehend. Und weil sie ihre Augen geschlossen hatten, rempelten sie sich gegenseitig an, einer trat auf die Füße des anderen. Manche gar stießen ihr Gegenüber um und sie hörten nicht den Schmerzensschrei des Umgestoßenen, denn sie waren gleichzeitig auch ohne Gehör.

Und so wanderte sie immer weiter und ihr begegneten Menschen die nicht die vielen Farben sahen und nicht die zarten Klänge hörten auf dieser schönen Erde.

Sie weinten und waren ohne Hoffnung und oft wussten sie nicht, warum sie so traurig waren. Manche, die die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben hatten, sagten:  „Irgendwo  hoch oben bei den Wolken, gibt es ein Goldenes Schloss, irgendwann sind wir dort“.

Die Menschen, die nicht sehend und gleichzeitig ohne Gehör waren, die waren eine zeitlang sehr lustig, weil sie die nicht sehen konnten, die sie umgestoßen hatten und auch nicht ihre Schmerzensschreie hörten. Doch nach einer gewissen Zeit kam auch über diese eine sehr große Traurigkeit.

Da wurde die Fee auch sehr traurig, obgleich sie sehen und hören konnte, weil sie nicht wusste, wie sie den Menschen helfen könnte. Denn auch sie wurde angerempelt, auch ihr wurde auf ihre zarten Füßen getreten, das tat sehr weh, und sie wurde viele Male sehr schlimm umgerempelt, ohne dass der andere darauf achtete, wie schrecklich weh  ihr das tat.

Sie rief zum Adler des Himmels er solle ihr helfen und sie wieder auf das Goldene Schloss bringen! Doch von dort kam die Stimme: „ Werde wie die Menschen, erlebe ihre Blindheit und ihre Taubheit, so wirst du tiefstes Mitgefühl für sie bekommen. Erst dann wirst du fähig sein, sie sehend und hörend zu machen, durch den Zauber deines Herzens. Dann werde ich Dich holen, um dich auf meinen Flügeln auf das Goldene Schloss zu bringen“.

Die Fee tat was der Adler ihr sagte, denn sie hatte ja ein großes Herz für alle und sie konnte zaubern und sie wollte so schnell wie möglich wieder ins warme Goldene Schloss.

Doch so einfach, wie sie sich das dachte, war es nicht. Es war sehr sehr mühsam.

Sie kam in eine kleine Stadt. Dort sah sie eine Frau allein vor einem Haus stehen und diese weinte bitterlich. Die Fee Ilium  ging zu der Frau und wollte sie trösten. Schluchzend erzählte sie ihr ihren Kummer. Sie und ihr Mann hatten ein kleines Mädchen in ihrem Haus aufgenommen. Auch ihre zwei Söhne hatten eine große Freude an diesem kleinen Sonnenschein. Dieses kleine Mädchen hieß Rose und war sehr glücklich in der Familie..
Ihr machte es auch nichts aus, dass sie ein viel zu kleines Bettchen hatte, ihre kleinen Füße schauten durch die Gitterstäbe unten raus. Sie wusste, alle hatten sie lieb und das war ihr das Wichtigste.
Eines Tages kam unverhofft die Mutter von Rose, diese hatte ihre Augen und ihre Ohren geschlossen und vernahm nicht den Schmerz des Mädchens und der Familie die so gut zu ihr waren. Sie nahm das kleine Mädchen von der Familie fort.
Die Fee Ilium nahm die untröstliche Frau die am Straßenrand stand in ihre Arme und wärmte sie mit ihrem Herzen und vermittelte ihr Trost so gut es ihr möglich war.

Sie wanderte weiter und versuchte besonders lieb zu sein um die Herzen zu erwärmen, doch die, die gleichzeitig nicht sehen und hören konnten, waren dann besonders grob zu ihr.

Immer und immer wieder versuchte sie es und immer wieder scheiterte sie, sie war schon fast am Verzweifeln. Da begegnete ihr eine große Schlange. Diese sprach zur Fee Ilium, wenn Du mich an Deinem Herzen wärmst sage ich Dir was Du tun kannst um die Menschen sehend und hörend zu machen. Die Fee Ilium legte sich die Schlange um den Hals. Diese schmiegte ihren Kopf an die Brust der Fee und sogleich verspürte die Schlange den zarten Herzschlag und die Wärme ihres Herzens.
Die Schlange lispelte zur Fee Ilium: „Hast Du vergessen, dass Du Flügel mit Sternenstaub besitzt, der besondere Kräfte hat“. Ja, sie hatte es vergessen, weil sie in ihrer Traurigkeit nicht mehr daran gedacht hatte.
Sie hatte ihre Flügel fein säuberlich verwahrt und holte sie jetzt hervor. Sie nahm vorsichtig von ihren Flügeln Sternenstaub und streute sie in die Augen der “Blinden“ und sie wurden sehend.
Bei den Blinden und gleichzeitig Gehörlosen war es nicht ganz so einfach. Zuerst blies sie ihnen Sternenstaub in die Augen, aus sicherer Entfernung, damit sie nicht umgerempelt wurde, und sie wurden sehend.
„Doch wie komme ich an ihre Ohren“, sagte sich die Fee. „Da komme ich mit Sternenstaub nicht hin“. Sie wusste aber, dass die Pflanzen und die Tiere ihr zur Seite stehen,
Kaum dachte sie dies, kam auch schon ein Schmetterling angeflogen. Es war ein wunderschöner blauer Schmetterling. Sie bat ihn, Sternenstaub in die Ohren der Menschen zu streuen. Der Schmetterling freute sich über die Fee und erfüllte ihr gerne ihren Wunsch.
Und immer mehr Menschen wurden hörend.

Oh, sie hatte ja auch ihren Zauberspiegel noch bei sich. Er war nicht beschädigt worden, als sie vom Himmel fiel. Sie nahm ihn aus ihrer Tasche und befestigte ihn an ihrem Herzen, damit er den Zauber ihres Herzens in die Herzen der anderen spiegele.

Jetzt erkannte sie plötzlich, dass die Menschen sich zu verändern begannen. Immer mehr lachten und einige tanzten sogar.
Sie achteten auf einander, keiner rempelte mehr den andern an, sie hörte keine Schmerzensschreie mehr, sondern sie hörte Lachen und Klänge von Musik. Sie sah Menschen tanzen im Kreis mit den anderen.

Die Fee war glücklich, denn sie bemerkte, dass die, die sehen und hören konnten, genauso lieb waren, wie die, die auf dem Goldenen Schloss wohnten. Und hier gab es ja auch Blumen, Tiere und so viel Schönes wie auf dem Goldenen Schloss. „Wenn jetzt alle Menschen sehen und hören können, dann ist es ja genauso schön wie dort oben im Goldenen Schloss“, dachte sie sich.

Und sie hatte auf einmal gar kein Heimweh mehr und lachte und tanzte mit den anderen.

by Roswitha Boneberger-Klett

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 




"Schloß der Goldenen Sonne"



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