KUNSTMÄRCHEN
Tanz der Schlangen
Ein Mädchen, das reinen Herzens war, es hatte weder Vater noch Mutter, weder Großeltern noch Geschwister, ging seines Weges. Das Mädchen liebte die Schönheit der Blumen, den Gesang der Frösche und den Flügelschlag des Schmetterlings.
So wanderte es schon lange Zeit, verdingte sich immer wieder als Magd um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Eines Abends, überfiel sie eine tiefe Traurigkeit und sie konnte sich nicht erklären warum dies so war. Auch der wunderschöne Sonnenuntergang konnte sie nicht trösten, auch nicht das abendliche Konzert der Frösche, denen sie sonst immer entzückt und voller Freude lauschte.
Auch am nächsten Tag und am übernächsten Tag wollte sie die Traurigkeit nicht mehr verlassen und so ging es Tag um Tag.
Sie befragte die Tiere des Waldes, warum dies so sei; keiner konnte ihr die Antwort geben.
Eines Abends sah sie eine Schlange auf einem Baume liegen, diese genoß die letzten warmen Sonnenstrahlen des Tages.
"Liebe Schlange, kannst Du mir sagen warum ich so traurig bin". Ja, sagte diese, das kann ich. "Lerne den Tanz der Schlangen, dann wirst Du verstehen". Dem Mädchen waren die Worte ein Rätsel.. Sie hatte noch niemals Schlangen tanzen gesehen.
Ich bitte Dich sprach das Mädchen zu der Schlange, gib mir eine Erklärung, damit ich es verstehen kann. Gut, sprach die Schlange zu dem Mädchen, komm heute in der Mitte der Nacht zu diesem Baume, dann wirst Du verstehen und Du wirst Deine Traurigkeit verlieren.
Das Mädchen konnte kaum erwarten bis die Sonne unterging, die Nacht war dunkel und schwarz, es leuchtete kein Stern und auch der Mond versteckte sich hinter einer dicken Wolke. Es war so dunkel, dass man die Hand nicht vor dem Auge sehen konnte. Eine solch dunkle Nacht hatte das Mädchen noch nicht erlebt. Sie nahm all ihren Mut zusammen und ging, als die Zeit auf die Mitte der Nacht zulief aus dem Hause. Trotz der Dunkelheit blieb sie auf ihrem Weg und fand dann auch um Mitternacht den Baum der Schlange.
In diesem Moment schaute der Mond hinter der Wolke hervor und beleuchtete mit seiner goldenen Scheibe die Nacht. Jetzt sah das Mädchen die Schlangen unter dem Baume tanzen. Sie hörte ihren stummen Gesang und sie erspürte den Rhythmus ihrer Körper. Sie sah den Glanz ihrer Augen, die alles zu verstehen schienen.
Über das Mädchen kam eine seltsame Ruhe, und eine tiefe Freude überflutete ihr Herz.
Und als die Nacht dem Tage Platz machte und die Sonne aufging, war ihre Traurigkeit verflogen.
by Roswitha Boneberger-Klett
01.02.2012