KUNSTMÄRCHEN

"Die drei Wesen" oder "Drei Selbste in Einem"

In einem fernen Lande, zwischen hohen Bergen wohnte einst ein schönes und tapferes Mädchen. Es hatte weder Vater noch Mutter und auch die Großeltern waren schon längst gestorben. Das Mädchen machte sich auf den Weg um sich eine neue Heimat zu suchen.
Es war ein sehr beschwerlicher Weg, doch das Mädchen war guten Mutes und reinen Herzens. Sie ging steinige Wege und überwand hohe Berge,  verdingte sich bei Bauern, um ihr Brot zu verdienen. Eines Tages ging sie durch einen dunklen Wald, dieser wurde immer dunkler und dunkler. Auf einmal erschrak das Mädchen zutiefst, vor ihr stand ein Wesen, das sie so noch nie gesehen hatte. Es war nicht von dieser Welt, so alt sah es aus, wie kein Mensch auf dieser Erde alt werden kann. Das Wesen sprach das Mädchen an. „Bitte küsse mich und ich bin erlöst“. Das Mädchen erschauerte und scheute sich; da sprach das Wesen noch bittender, bitte küsse mich so bin ich erlöst. Der Klang seiner Stimme berührte das Mädchen, sie bemerkte eine Wehmut und Traurigkeit darin. Sie nahm all ihren Mut, schloss die Augen und küsste das Wesen mit ihrer Liebe.  Das Wesen lächelte und verschwand. Das Mädchen war verwundert und ging weiter seines Weges.  Der Wald wurde noch dunkler und es wurde auch immer stiller, die Vögel waren verstummt. Dem Mädchen wurde es unheimlich zumute. Auf einmal stand wieder ein Wesen vor ihr noch größer, noch älter und noch häßlicher als das vorherige und noch dunkler in seinem  Erscheinen. Und auch dieses Wesen bat das Mädchen inständigst um einen Kuss. Das Mädchen erschauerte wieder zutiefst und konnte sich nicht überwinden. Das Wesen bat das Mädchen flehentlich es zu küssen, damit es erlöst werde.  Ich kann so was abgrundtief hässliches, dunkles und uraltes nicht küssen, ich kann es nicht. Das Wesen bat noch flehentlicher und noch inniger um den Erlösungskuss.  Letztendlich erlag das Mädchen dem inständigen Flehen und küsste es mit all seiner Liebe. Es liefen ihr die Tränen über die Wangen so erschüttert war sie von dieser Begegnung. Und auch dieses Wesen dankte es ihr mit einem Lächeln.
Das Mädchen war noch immer im dunklen Walde und sah kein Ende des Weges. Es wurde dunkler und immer finsterer. Es wurde ihr bange. Da auf einmal stand zum dritten Male wieder ein Wesen vor ihr, schlimmer als die zwei vorherigen in ihrem Anblick waren. Das Mädchen fiel fast in Ohnmacht vor Schreck. Und auch dieses Wesen bat um einen Kuss. Der Klang seiner Stimme war zutiefst traurig und flehentlich, immer und immer wieder bat es das Mädchen um den Kuss der Liebe. So nahm denn das Mädchen all seinen Mut zusammen und all seine Liebe die in seinem Herzen wohnte und  küsste auch dieses Wesen. Sie erschauerte dermaßen, dass ihr in Strömen die Tränen übers Gesicht liefen. Sie erspürte den harten Kuss. Doch lies sie nicht nach in ihrer Liebe. Und als sie die Augen wieder öffnete sah das Mädchen einen wunderschönen Leuchter mit drei Kerzen  vor sich stehen. Inzwischen hatte im Wald die Nacht Einzug gehalten und es war absolute Finsternis. Der Leuchter aber leuchtete dem Mädchen noch lange den Weg, bis es aus dem Walde herausfand.  Die Kerzen, sie gingen nicht mehr aus, sie leuchten die ganze Nacht und auch den darauf folgenden Tag.
Nach geraumer Zeit kam das Mädchen an die Grenzen eines Landes das von Dunkelheit geplagt war. Die Bewohner erzählten ihr, dass je weiter man ins Land zöge, die Dunkelheit immer intensiver würde und dort die Sonne nicht mehr aufgehen wolle. Die Menschen dort seien sehr traurig und unglücklich. Sie wüssten nicht, warum die Sonne in ihrem Land nicht mehr scheinen wolle. Das Mädchen dessen Weg immer durch den Leuchter erhellt war tröstete die Menschen und diese wunderten sich über das helle Licht des Leuchters. Das Mädchen ging immer tiefer und tiefer ins Landesinnere. Sie kam an ein finsteres Schloss. Die Bewohner in der Umgebung des Schlosses erzählten ihr dort wohne ein böser Zauberer und niemand hätte jemals das Schloss betreten, dessen Türen seien fest verschlossen. Das Mädchen fürchtete sich nicht, denn es hatte ein Licht bei sich das niemals ausging, es hatte die Wärme seines Herzens und es besaß den Mut eines Adlers. Sie ging auf das Schloss zu und sah im hellen Schein des Leuchters die offene Türe des dunklen Schlosses. Sie trat ein und ging wiederum durch eine Türe, die sich ebenfalls öffnete. Dann sah sie wiederum eine Türe die sich auch sogleich öffnete. Das Mädchen blickte in einen großen Saal, der ganze Raum war hell erleuchtet. Es war so hell, dass es schien als leuchte die Sonne. Das  Mädchen sah die Gestalten der drei Wesen die wie es schien auf sie gewartet hatten. Die drei Wesen sprachen freundlich mit einer Stimme zu ihr.
„Du hast uns mit Deiner großen Liebe und der Wärme Deines Herzens und Deinem großen Mut von unserer Dunkelheit erlöst. Wie können wir Dir danken. Ich bitte euch darum, sprach das Mädchen, gebt dem ganzen Land die Sonne wieder, dass sie so hell scheinen möge, wie die Helligkeit dieses Raumes. Ja, sprachen die drei Wesen mit einer Stimme, eine große dunkle Wolke hat sich vor langer Zeit vor die Sonne geschoben, sodass das ganze Land in Dunkelheit gehüllt wurde. Wir werden der Wolke gebieten sich aufzulösen damit das ganze Land hell werde. Und sogleich geschah es.„Du hast durch Deinen Liebeskuss dem Land die Sonne gebracht, sprachen die drei Wesen mit einer Stimme.
Und als das Mädchen aus dem Schlosse trat, sah sie die Helligkeit der Sonne, sie sah die Menschen vor Glück tanzen und singen und war glücklich mit ihnen.

by Roswitha Boneberger-Klett

 

 

 

 

 

 

 

 

                   

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 


 

 

 

 







"Diesseits und Jenseits werden EINS"

(Foto by boart.de: Gestratz-Horben im Allg äu)